1989_JUGENGHEIM_LUEDWEHBERG GRAFFITI IST FüR MICH WIE EINE SUCHT
Märkischer Kreis. (wap,) Der KGB ist da.In München, Paris, Berlin. Nachts. Auch in Lüdenscheid, Altena. Hier wie überall: Dunkle Gestalten, stets auf der Flucht vor dem Sondereinsatzkommando der Polizei, verüben Abend für Abend dreiste Anschläge auf öffentliche und private Gebäude. Ihre Waffe: 10 bis 20 Sprühdosen, gefüllt mit Acryllack. Schnappen die Handschellen zu, dann gibt es entweder Dutzende von Sozialstunden oder der Richter brummt dem "Täter" -wie geschehen - acht Monate Freiheitsentzug auf, die zur mehrjährigen Bewährung ausgesetzt werden. "Ihr solltet schon in jungen Jahren zur Höchststrafe verknackt weren,damit Ihr die Lust verliert",meinte ein Polizist.Und er fügte hinzu. "Ihr seid die Terroristen von morgen!" - Diese Erfahrung hat Sprayer Stefan Dressler (20) aus Altena gemacht. Der blonde Mann, Mitglied in der "Kindergartenbande" (kurz: KGB), hat den Sprung vom Schattendasein in die Legalität geschafft. Sein Wunsch: Jugendkunst soll unsere Städte noch schöner machen. Sprayer sollen bei
Tageslicht und ohne Hast und Furcht ihre Bilder schaffen können."Tag Trickz, habe das Piece im Tunnel gesehen. Mensch..................
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Sogar die Farbindustrie räumt Stefan Dressler Rabatte ein ..................du hast ja an deinem Tag herumgefeilt. Da können sich die Toys ein Scheibchen abschneiden!" - So oder so ähnlich könnte ein Gespräch zwischen zwei Sprayern anfangen. "Da gibt es jede Menge Fachausdrücke", erklärt Stefan Dressier dem wap.-Reporter. "Trickz wäre in diesem Fall der Name des Künstlers, "Piece" das Bild im Tunnel, Tag" der Oberbegriff für die Namen und Toys" ein Wort für Graffiti-Einstieger."Mit dem Film "Beat-Street" hat bei Stefan Dressler alles angefangen. "Da haben wir dann die ersten Versuche des Nachts in Altena gemacht." Natürlich illegal.Nach und nach wurde es bei dem gelernten Werkzeugmacher so extrem, daß er fast nur noch gemalt hat. "Dann gingen da schon mal an einem Abend zehn Spraydosen durch, die ich mit der Kindergartenbande in Amsterdam, Berlin, München oder Paris an die Wand gebracht habe."Unter dem Namen SEAR" haben auch sicher Sie schon ein Bild von Dressler gesehen. Denn jedes "Piece" wird mit dem Tag des Künstlers gekennzeichnet, ist somit ein Stück unverkenbarer Handschrift. In diesen Wochen gerade verschönert"SEAR" die rund 15 Bushäuschen im Auftrag der Stadt Altena. "Aber die Bürger glauben einem überhaupt nicht, daß wir offiziell malen dürfen", so der Sprayer.Am letzten Wochenende führte sich beispielsweise ein Motorradfahrer auf wie ein Polizist: "Der hat gesagt,wir sollten ihm gefälligst die Bescheinigung zeigen, daß wir das machen dürfen. Er hat uns beschimpft und nachher die Polizei gerufen - offensichtlich in der Annahme, nachher das Bundesverdienstkreuz ans Revers geheftet zu bekommen." - Die Polizei hatte nur ein müdes Lächeln für den Anrufer übrig.Noch rund zehn Bushäuschen warten aufStefan Dressler und seine Sprühdosen. Die Technik des Sprühens verlangt vielFingerfertigkeit. "Man lernt es auf der Straße", so der 20jährige. Neben dem Sinn für die richtige Dimensionen und passende Farben sind vor allem die"Caps" wichtig. Die Aufsätze auf den Sprühdosen bestimmen die Dicke des Farbstrahls.
"Dieser Cap beispielsweise ist von einer L'Oreal-Haarspraydose und macht wahnsinnig dicke Linien", erzählt Stefan Dressler.Sein größter Wunsch ist es, eines Tages einmal von Graffiti zu leben. "Ich könnte T-Shirts oder Motorhauben bemalen." Oder Garagen, oder Surfbretter, oder Skateboards oder Klodeckel, oder, oder, oder ...